Gemeinsames Wohnen
Das Tralalobe-Haus Josefstadt wurde Ende 2018 umfassend renoviert und bietet seit Anfang 2019 Platz für rund 60 Menschen. Die 13 Wohneinheiten sind autark ausgestattet – mit eigenem Bad, Küche und Waschmaschine –, um den Bewohner:innen ein Höchstmaß an Privatsphäre zu ermöglichen. „Wir haben Wohngemeinschaften speziell für Frauen, Männer und Transpersonen“, erklärt Singer. Für Alleinerziehende gibt es Wohngemeinschaften, in denen Frauen mit ihren Kindern leben können, während Familien eigene Wohnungen zur Verfügung stehen.
„Unsere Zielgruppe braucht oft besonderen Schutz“, ergänzt Christina Krenn, Sozialarbeiterin und stellvertretende Hausleitung. Die gebotene Privatsphäre unterscheidet das Tralalobe-Haus von anderen Einrichtungen: „Eine Transperson braucht mehr Rückzugsmöglichkeiten als jemand außerhalb der queeren Community. Aus diesem Grund haben Transpersonen bei uns Einzelzimmer“, so Krenn.
Individuelle Unterstützung
Im Tralalobe-Haus beginnt die Unterstützung schon mit den ersten Schritten in ein neues Leben. Dabei geht es zunächst darum, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden. „Wir unterstützen sie individuell – von der Orientierung im Alltag bis hin zur Vermittlung medizinischer oder psychologischer Hilfe“, so Krenn. Besonders wichtig sei es, den Menschen zunächst Sicherheit zu geben: „Trauma ist zwar ein Thema, aber nicht das erste. Die Menschen müssen erst einmal ankommen“, sagt Singer.
Alleinerziehende Mütter oder Familien werden unterstützt, indem das Team Kindergartenplätze sucht oder sich um Schulanmeldungen kümmert. „Grundsätzlich schauen wir uns immer an, an welchem Punkt die Person aktuell steht und wie wir sie am besten unterstützen können“, so Krenn.
Die hausinterne Rechtsberatung begleitet die Bewohner:innen in allen Belangen des Fremden- und Asylrechts. Viele Bewohner:innen haben eine sogenannte „weiße Karte“ – sie befinden sich also noch im laufenden Asylverfahren. Die Rechtsberater:innen helfen ihnen dabei, Anträge zu stellen und Schriftsätze zu verfassen, und bereiten die Menschen auch auf gerichtliche Termine vor.
„Die Momente, in denen unsere Bewohner:innen einen positiven Bescheid bekommen, sind auch für uns sehr schön“, so Singer. Nach einem solchen Bescheid dürfen die Menschen noch vier Monate im Haus bleiben, bevor sie ausziehen müssen. Auch dann endet die Unterstützung nicht: „Wir helfen bei der Wohnungssuche und stellen sicher, dass Sozialhilfeanträge rechtzeitig eingereicht werden“, erklärt Singer.
Da im Tralalobe-Haus viele verschiedene Sprachen gesprochen werden, ist die Kommunikation oftmals herausfordernd. „Für Gespräche, die in die Tiefe gehen, holen wir externe Dolmetscher:innen dazu“, sagt Krenn. „Aber für Alltägliches helfen sich die Bewohner:innen oft gegenseitig oder wir nutzen Google Translate – das funktioniert erstaunlich gut.“
Ein Team für alle
Die Zielgruppe LGBTQI+-Asylwerbende ist psychisch oft stark belastet. „Krisen treten immer wieder auf, manchmal auch in Form von Suizidalität“, sagt Krenn. Das Personal bemüht sich um ein stabiles Auffangnetz: „Unsere Psychologin Madlen ist Teilzeit im Haus tätig und wir arbeiten mit vollem Einsatz daran, den Kontakt und Austausch mit unseren Bewohner:innen zu halten.“
Das Team des Hauses ist zwar klein, aber hochengagiert: Johanna Singer leitet das Haus, Christina Krenn ist als Sozialarbeiterin tätig und Madlen Roher übernimmt die psychologische Betreuung. Unterstützt werden sie von einem Zivildiener. „Wir sind ein eingespieltes Team und leisten trotz knapper personeller Ressourcen wirklich gute Arbeit“, betont Singer.
Neben einem sicheren Zuhause bietet das Tralalobe-Haus seinen Bewohner:innen auch vielfältige Freizeitmöglichkeiten. Einmal wöchentlich findet eine Spielgruppe statt, bei der Kinder und Familien zusammenkommen. Kreative Angebote des Musischen Zentrums stehen durch den Kulturpass offen, und der Jugendtreff KoGA in der Kochgasse organisiert regelmäßig Spieleabende. Auch für Erwachsene gibt es besondere Erlebnisse: Exkursionen ins Sisi-Museum oder in den Tiergarten Schönbrunn sorgen für Abwechslung und werden von den Bewohner:innen begeistert angenommen. „Solche Ausflüge sind für viele ein besonderes Highlight“, erzählt Johanna Singer.
Vernetzung in der Nachbarschaft
„Als wir 2019 eröffneten und ich das erste Mal mit dem Netzwerk ‚Neue Nachbar:innen‘ in Kontakt kam, kannte ich weder den 8. Bezirk noch die Leute“, erinnert sich Singer. Doch „die Begrüßung war überwältigend. Wir wurden sofort mit den Worten empfangen: ‚Jetzt seid ihr endlich da, wir haben schon auf euch gewartet.‘“
Die Zusammenarbeit mit der Nachbarschaft hat nicht nur den Bewohner:innen geholfen: Sie hat auch gezeigt, wie wichtig Solidarität im Bezirk ist. Freiwillige aus der Josefstadt helfen regelmäßig – sei es durch Deutschunterricht oder Patenschaften für Kinder.
Ein Fixpunkt im 8. Bezirk
Für das Team des Tralalobe-Hauses sind die Fortschritte der Bewohner:innen ein großer Antrieb: „Es gibt viele, die uns nach ihrem Auszug besuchen oder uns berichten, wie gut es ihnen jetzt geht“, erzählt Singer lächelnd. Besonders emotional sind für sie Momente wie die Geburt eines Babys im Haus oder das Verkünden eines positiven Asylbescheids: „Das sind echte Jubelmeldungen – solche Erlebnisse teilen die Menschen gerne mit uns“, freuen sich die beiden. Das Tralalobe-Haus Josefstadt hat sich als erfolgreiches Projekt etabliert – doch auch in Zukunft braucht es Unterstützung, um weiter bestehen zu können. „Unabhängig von politischen Veränderungen hoffen wir, dass das Haus weiterhin existiert“, sagt Johanna Singer. Denn eines steht fest: Das Tralalobe-Haus ist mittlerweile zu einem wichtigen Ankerpunkt im achten Bezirk geworden, der schutzsuchenden Menschen nicht nur Sicherheit bietet, sondern ihnen auch die Perspektive auf eine selbstbestimmte Zukunft eröffnet.
Christina Krenn (Sozialarbeiterin und stv. Leitung Tralalobe Haus Wien Josefstadt) und Johanna Singer (Leitung Tralalobe Haus Wien Josefstadt) im Gespräch mit Najda Riahi (Foto Jana Madzigan)
https://www.derachte.at/ankommen-im-achten/
Galerie
Tralalobe Haus Wien Josefstadt. Fotos Christine Miess
https://www.tralalobe.at/projekte/tralalobe-haus-wien-josefstadt